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Köln vs. Halle

(Dieser Artikel ist ein rein subjektiv geschriebener Artikel aus den Erfahrungen des Autors und seiner Protagonistin mit Hund und spiegelt nicht die Meinung einer ganzen Stadt wieder. Er wurde unbeeinflusst von irgendwem, auf einer Reise nach Köln geschrieben.)

Von Halle nach Köln zu kommen, dauert schon eine Weile, zu mindestens per Auto. Es empfängt den Touristen aus Halle eine Großstadt und ein alles überragender Dom. Halle hat zwar auch einen Dom, aber der wird nur im Volksmund so genannt. Eigentlich ist der „Koloss“, der sich neben dem Kölner Dom wie ein Spielzeugwürfel ausmacht, gar kein Dom, sondern eine ehemalige Dominikanerkirche. Also schlicht, einfach ohne Schnickschnack oder Verzierungen. Kardinal Albrecht wollte im 16. Jahrhundert dort begraben sein, floh aber vor der aufkommenden Reformation Luthers nach Mainz. Er nahm alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Apropos Nägel, die ließ er angeblich auch gleich mitgehen. Das ist schon mal ein Grund, warum es der Dom in Halle nicht zu einem richtigen Dom schaffte. Aber Halle hat inzwischen eine gute Tradition zum Nichtschaffen geschafft. Es schaffte nicht den Sprung zur Kulturhauptstadt, war nicht in der Lage einen Hansetag auszurichten, ist im Sächsischen Städtebund zu mindestens auf dem Papier vertreten, kann sich nicht zur Salzstadt vollends bekennen und hat sich zur Händelstadt erhoben. Der war zwar ein genialer Musiker, zog es aber vor, in London seine Hauptwerke zu komponieren. Das Salzmonopol in Halle wird mit Argusaugen von einer langen Tradition bewacht, da hat man schlechte Karten, wenn man sich einbringen will. Aber das ist eine andere Geschichte. Die ganze Situation (oder ist es gar die Stadt an sich?) scheint auf die Gemüter der Hallenser zu drücken, die in der Geschichte charakterlich schon immer, sagen wir mal, nicht ganz so positiv wegkommen. Oder anders ausgedrückt, Halle hat viele Superlative, das Superlativ freundlicher Leute gehört scheinbar nicht dazu.

Köln hat eine 2000-jährige Geschichte und nimmt für sich nach Empfinden des Autors und seiner Protagonistin mit Hund, das Superlativ extrem freundliche Stadt zu sein ein. Wieso Protagonistin mit Hund, werden Sie sich sicherlich fragen. Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit einem schwarzen Alt-Deutschen Schäferhund (eben wie unsere Protagonistin) durch die Innenstadt Halles, über den Boulevard, wo eigentlich nichts Großes mehr passiert. Da ist die Wahrscheinlichkeit, nach Meinung der Protagonistin mit Hund sehr hoch, dass Sie auf Schritt und Tritt mit dem Raunen von selbst-ernannten Moralswächter und Hundekenner bedacht werden. „So ein großer Hund“, „Hat der hier was zu suchen?“, „Darf man den halten?“. Unsere Protagonistin mit Hund fühlt sich dann wie eine Aussätzige mit einem Monster an der Leine. Da geht man irgendwann nicht mehr gern in die Stadt. Anders in Köln. Nicht nur sie, sondern auch der Hund werden dort freundlich behandelt und die Leute treten wie selbstverständlich mit Besitzerin und ihrem Hund in Kontakt. Die Atmosphäre, ob in Museen, Gaststätten, Eiscafés ist in Sachen Hund viel entspannter. Man fühlt sich zwischen den vielen unbekannten Menschen auf Schritt und Tritt „familiär“ verbunden. In Halle wird man eher „verfolgt“. Das Ganze lässt sich nicht nur am Hund festmachen, sondern der Autor war höchst-persönlich vor Ort, begleitetet besagte Protagonistin und war über die Offenheit und gute Laune erstaunt. Das wäre ihm in Halle nicht passiert. Da genießen die Leute ihre schlechte Laune, nicht immer, nicht überall, aber immer häufiger. Halle zehrt nicht von seiner Geschichte, sondern vom Geplänkel auf der Straße und im Stadtrat. Das färbt wohl ab.

Streitereien haben schon im 15. Jahrhundert der Stadt zu schaffen gemacht, als Halle 1478 an den Erzbischof verraten wurde und seine mühsam in zwei Jahrhunderten erreichten Errungenschaften und Freiheiten verlor. So schaffte es sein Ziel nicht, Reichsstadt zu werden, genauso wenig wie das Ziel eine Kulturhauptstadt fast 500 Jahre später oder gar seinen Ruf als Hansestadt gerecht zu werden. Ja und mit der Salzstadt ist es auch nicht weit her. Man staunt über die historischen Treppen in der ehemaligen Halle (genannt Hallmarkt), wo das Salz produziert wurde und die Stadt einst reich machte. Die Treppe vom besagten Hallmarkt zur Oberstadt wurden künstlerisch gestaltet. An den Stufen entstanden zuerst ein Koibild und nun ein Bild mit Schmetterlingen, die dort aufgemalt wurden. Zugegeben die Künstler haben eine tolle Arbeit geleistet, aber passt das? Ich stell mir vor, man macht das an der Königstreppe, die zum Ma’alot Platz am Dom in Köln führt und schon in uralten Zeiten von Königen als Aufgang genutzt wurden (die Treppe war damals völlig anders). In Köln wäre solch ein Geschichtsaffront undenkbar, man ist sich seiner Historie bewusst. Das zeigt sich auch am Beispiel der Hafenstraße aus der Römerzeit. Sie ist wegen des Baus der Tiefgaragen unter dem Dom um 6 m versetzt, nicht sehr lang und zeigt eine Straße aus der Römerzeit. Leider ist es nicht das Original. Man hatte die Straße entdeckt und die Basaltstücke mit Kreide markiert. Ein Regen wusch die Kreide ab und etwas dumme Gesichter schauten unschlüssig auf das vorliegende Puzzle. Trotzdem verlegte man die Steine und ließ sogar einen Stützpfeiler in die Tiefgaragenwand einmauern.
In Halle hat man keine Zeit für derlei Kinkerlitzchen. Das älteste Mauerstück, wahrscheinlich aus dem 11. Jahrhundert, dient als Rückwand für einen profanen Parkplatz, an dem auch schon mal Müllsäcke lagern. 100 m davor befindet sich das Stadtmuseum. Ist ja auch eine olle Kamelle, die dünne Mauer, kaum wahrnehmbar. So geht es noch manch anderem historischem Bauwerk in Halle, aber auch das ist eine andere Geschichte.
Natürlich wird in Halle die Geschichte von Vereinen (auch von sehr professionellen) aufgearbeitet, das macht jeder Verein für sich. Man kann oder möchte nicht unbedingt zusammenkommen. Manche lassen sich nur ungern in die Karten schauen. Aber daran litt Halle in der Geschichte schon einmal, als es 1478 mächtig gärte, als sich die privilegierten Pfänner nicht in die Karten schauen ließen.
In Köln benötigt man keine Bücher, wenn man sich informieren will. Es ist großzügig ausgeschildert. Man nimmt sich in dieser Stadt nicht nur als Gast wahr, sondern auch als dazugehörig, so das Gefühl unserer Protagonistin mit Hund. Der Autor, schon immer skeptisch bei euphorischen Behauptungen, hat es aber an ihrer Seite selbst miterlebt und viel Spaß gehabt mit den Kölnern und auch ihren Gästen. In Halle dagegen kann man pro Trip in die Altstadt immer ein paar Zornesfalten sehen und die Leute strömen wenig rücksichtsvoll in einem Durcheinander nach allen Seiten. In Köln strömt man auch, aber irgendwie geordneter und macht dabei sogar dem Hund Platz. Man bleibt stehen, spricht sich an, sowie bei Nachbarn, die man eigentlich schon gut kennt. Geschichte und Freundlichkeit, ein neues Erlebnis, was man als Hallenser so nicht kennt.

Natürlich ist Köln eine Großstadt wie jede andere, mit einem für den Neuling grausam verwinkelten Straßensystem, an dem man sich in einem Kurzurlaub nur schwer gewöhnen kann. Man könnte aber auch die Straßenbahn nehmen, die hier in kurzen Takten fährt. An Sehenswürdigkeiten der 2000-jährigen alten Dame, die schon die Römer kannten, fehlt es trotz Bombenangriffe 1945 nicht. Der Dom stand schon damals bombenfest, trotz einiger Treffer vorwiegend an der Westfront.
Es war wie ein Omen. Immerhin steht das „Kleinod“ mit seinem goldenen Schrein der „Drei Könige“ schon seit 1248 an seinem angestammten Platz. Wenn man vor dieser Kathedrale steht, den Kopf in den Nacken legt, wird man leicht schwindelig. Das ist imposant, faszinierend, wie die Leute selbst.
Es scheint, nach Meinung der Protagonistin mit Hund, in der Stadt eine Einheit zu geben zwischen Kultur, Menschen und natürlich nicht zu vergessen dem Kölner Fußball.
All das hat Halle irgendwie auch, Kultur, Historie und Fußball. „Aber das ist keine Einheit“, meint resigniert unsere Protagonistin mit Hund. Es nimmt nicht wunder, dass Halle als Händelstadt kaum bekannt ist. „Wo ist Halle? Ach bei Leipzig. Ja, Leipzig kennen wir.“, hat der Autor schon so oft auf seinen Reisen gehört. Das macht schon ein wenig nachdenklich. Halle wird wahrgenommen in der Welt, so scheint es, durch das Attentat auf die Synagoge und dem unsäglichen Streit im Stadtrat wegen einer falsch gelaufenen Impfung des suspendierten Bürgermeisters. Es ist wie im 16. Jahrhundert, als sich die Popolaren und die Pfänner im Stadtrat bekriegten, was zum Verrat und zum Verlust der Privilegien führte. Natürlich hat auch Köln seine Probleme, wie damals zur Silvesternacht, als Frauen belästigt wurden. Das war schlimm, aber dadurch verliert Köln nicht insgesamt seinen Status. Die Stadt wird weiterhin als Stadt mit viel Geschichte und doch freundlichen Menschen wahrgenommen.


Mit Sicherheit wird in Köln auch im Stadtrat gestritten, aber hier scheint es zum Wohl der Stadt im Bewusstsein ihrer Historie zu gehen. In Halle wird gestritten um das Bewusstsein der Parteien. Da bleibt vieles auf der Strecke. Das ist natürlich ein subjektiver Eindruck des Autors und seiner Protagonistin mit Hund. Beide sind aber in einem Verein, der sich viel mit dem eigentlichen geschichtsträchtigen Status der Stadt beschäftigt – nämlich dem Status einer Salzstadt. Das ist in Halle schwierig, weil man als kleiner Verein (Salzstadtclan e.V.) eher wenig Beachtung findet, schon gar nicht bei Alteingesessenen.


Halle hat sein Gesicht seit der Wende drastisch geändert. Viel Schönes, Neues und geschichtlich Wertvolles wurde aufgearbeitet und rekonstruiert. Aber es verlor auch einiges an Geschichte, so seine älteste Gaststätte „Zum Mohr“, den „Salzwirker“ und einiges mehr. Die Stadt noch Graue Diva zu nennen, wie einst die Fotografin Helga Paris in den 1930iger Jahren, wäre verfehlt. Trotzdem blieb das Grau, in vielen Köpfen und in vielen Herzen hängen, so dass Halle nicht mehr das Salz in der Suppe ist, sondern in Sachen Umgang miteinander etwas fade wirkt. Um eine eigene Meinung zu haben, sollte man aber beide Städte besuchen und keine Vorurteile aufgrund unserer Meinung haben. Das wäre dann weit verfehlt.

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